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Nach fast 30 Jahren: Weihenstephan investierte in eine neue Entalkoholisierungsanlage

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Schlagzahl verdoppelt mit moderner Entalkoholisierungsanlage

ALKOHOLFREIES BIER IM TREND | Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan investierte nach fast 30 Jahren in eine neue Entalkoholisierungsanlage. Damit ist die älteste Brauerei der Welt zukunftsfähig aufgestellt und für die wachsende Nachfrage nach alkoholfreien Bierspezialitäten bestens gerüstet ist. Höhere Produktivität, Flexibilität und der Einsatz modernster Technologie waren die Entscheidungskriterien bei der Auftragsvergabe.

Im Jahr 1993 hatte die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan, Freising, eine der ersten Entalkoholisierungsanlagen erworben, damals entwickelt von der TU München (TUM) in Weihenstephan. Die Staatsbrauerei war damals mit der neuesten Technologie Vorreiter in der deutschen Brauszene, und die Anlage war bis Anfang 2021 kontinuierlich im Einsatz. Ursprünglich ausgelegt auf eine Stundenleistung von 5 hl wurde die Produktionskapazität vor zehn Jahren aufgrund der positiven Absatzentwicklung alkoholfreier Bierspezialitäten verdoppelt. Mit 10 hl war die nur teilautomatisierte und daher sehr personal- wie auch arbeitsintensive Anlage jedoch an der Kapazitätsgrenze angelangt.

Alkoholfreies Bier steht bei Verbrauchern hoch im Kurs. Auch Weihenstephan verzeichnete in den vergangenen Jahren ein kontinuierliches Wachstum in diesem Segment, so dass dringend eine neue Lösung notwendig war. Durch die Verlagerung der kompletten Logistik vom Weihenstephaner Berg in das neue Logistikzentrum im Gewerbegebiet Clemensänger in Freising, Mitte des Jahres 2019, wurde in der Produktion und auf dem Freigelände Raum geschaffen, um das Gesamtprojekt realisieren zu können. Es handelt sich dabei um die Entalkoholisierungsanlage mit einer Abtankstelle nach neuesten Standards für Sicherheit, Umwelt und Explosionsschutz. Sie ist auf dem Freigelände für Kunden installiert, die Ethanol weiterverarbeiten, beispielsweise zu Desinfektionsmittel, Kosmetik oder Bioethanol- Zusatz zum Kraftstoff (Benzin E10).

Weihenstephan EntalkoholisierungsanlageVorbereitung der Ausschreibung
Als die Entscheidung für das Projekt getroffen war, stellte Tobias Zollo, 1. Braumeister der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan, mit Unterstützung des Technischen Büros Weihenstephan (TBW) einen umfassenden Leistungskatalog mit den gewünschten Kriterien und Kennzahlen zusammen: „Ein Investitionsprojekt dieser Dimension ist parallel zum Arbeitsalltag als 1. Braumeister nicht ohne die Beratung von Experten zu stemmen. Die Kernkompetenz des Technischen Büros Weihenstephan ist die Begleitung von eben solchen Ausschreibungen. Sie haben uns von der Formulierung der Ausschreibungsunterlagen, der Auswahl der passenden Unternehmen, der Organisation von Referenzbesuchen bis hin zur Sichtung und Bewertung der Angebote sowie der Prüfung der georderten Kennzahlen bei der Endabnahme unterstützt. Von meiner Seite war die Anforderungsliste klar: Es sollte eine vom Prinzip her ähnliche Anlage sein, die effizienter arbeitet, biologisch noch stabilere, aber geschmacklich optimale Ergebnisse liefert und uns genug Handlungsspielraum lässt, um kurz- bis mittelfristig Anpassungen und zusätzliche Optionen realisieren zu können. Wenn wir in eine neue Anlage investieren, dann muss auf jeden Fall unser geschmacksbeständiges, sehr aufwendiges Verfahren beibehalten werden. Und wir wollten insgesamt flexibler und vor allem zukunftsfähig aufgestellt werden. Zudem ist es wichtig zu wissen und zu berücksichtigen, was sich in den letzten Jahren technisch und technologisch auf diesem Feld getan hat und welche Unternehmen dies leisten können. Genau diesen Gesamtüberblick auf den Markt hat das Technische Büro Weihenstephan zum Projekt beisteuern können.

Eine der größten Herausforderungen für die angefragten Unternehmen war es, die schmale Gratwanderung zwischen Effizienz und Geschmack erfolgreich zu bewältigen.“ Tobias Zollo hat sich zudem sensorische Expertise von der TUM, insbesondere von Expertin Dr. Martina Gastl, eingeholt und den neuesten Stand der Forschung und Technologie abgefragt.

Vakuum-Fallstromverdampfung anstelle gestoppter Gärung

Die alkoholfreien Bierspezialitäten der Bayerischen Staatsbrauerei, ober- wie untergärig, werden seit jeher mit einem speziellen Verfahren hergestellt: der Vakuum-Fallstromverdampfung. Es handelt sich hierbei um ein besonders aufwendiges, aber auch schonendes Verfahren, bei dem einem vollständig vergorenen und gereiften Bier durch Erwärmung im Vakuum der Alkohol entzogen wird. Dadurch bleiben Biergeschmack und Charakter des Bieres weitgehend erhalten. Zudem schmeckt das alkoholfreie Bier weniger süß und ist wesentlich kalorienärmer, als wenn mit gestoppter Gärung gearbeitet wird. Beim sogenannten „gestoppten Gärer“ wird die Gärung vorzeitig abgebrochen, um die Alkoholbildung zu vermeiden. Die so hergestellten alkoholfreien Biervarianten sind süßer, da sie mehr Restzucker enthalten, was bei der Methode der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan nicht der Fall ist. „Wir haben umfassende Verkostungen mit der TUM gemacht, um auch zukünftig unser typisches Aromaprofil bei den alkoholfreien Bierspezialitäten bieten zu können. Wir wollten die Temperaturen beim Entalkoholisierungsprozess so niedrig wie möglich halten, nur so bleibt ein Großteil der geschmacksbestimmenden Aromen bestehen“, erklärt Zollo die Zielsetzung.

Kontrolle des Vakuumprozesses

Pioniergeist in Sachen alkoholfreies Hefeweißbier bewies die Brauerei Weihenstephan bereits 2012: Damals reagierte sie auf nationaler Ebene auf die erhöhte Nachfrage der Gastronomie nach alkoholfreiem Hefeweißbier aus dem Fass. Seitdem bietet die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan ihren Gastronomen die Möglichkeit an, das alkoholfreie Weißbier auch aus dem Fass auszuschenken. „Die Einführung des Weihenstephaner Alkoholfrei vom Fass war für uns damals eine Herausforderung, die wir gerne angenommen haben. Die Rückmeldungen sind seitdem durchweg positiv, denn die Gastronomen sind von der Qualität und der gewonnenen Flexibilität begeistert“, weiß Brauereidirektor Prof. Josef Schrädler zu berichten.

Auftragsvergabe
Gut ein halbes Jahr dauerte der Sondierungsprozess, davon entfielen drei bis vier Monate auf die Erarbeitung der Ausschreibungsunterlagen. Neben der corosys Beverage Technology GmbH & Co. KG in Hofheim am Taunus wurden noch zwei weitere namhafte Unternehmen zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Es folgten im nächsten Schritt Referenzbesuche bei Brauereien, in denen die Unternehmen ähnliche Aufgabenstellungen erfolgreich bearbeitet hatten. Im Sommer 2020 erhielt corosys den Zuschlag. Vor diesem Zuschlag hatte corosys bereits zwei Projekte in der Bayerischen Staatsbrauerei erfolgreich realisiert, den Einbau einer Wasserentgasung (2012/2013) sowie die Installation einer Ethanol-Messuhr (2020). „Wir haben gezeigt, dass wir individuell auf die Wünsche der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan eingegangen sind und den Auftrag auf digitaler sowie auf Automatisierungsebene erfolgreich umsetzen konnten. Sicherlich spielte die eigene Erfahrung zusammen mit dem positiven Referenzbesuch eine maßgebliche Rolle, dass die Staatsbrauerei wieder auf die Zusammenarbeit mit uns setzte“, ist sich corosys-Vertriebsingenieur Stefan Meyering sicher. Zusammen mit seinen Kollegen Hans-Uwe Fischer, Programmierer, und Jan Oertli, hauptverantwortlicher Projektleiter, betreute er das Projekt am Weihenstephaner Berg. „Wir wollten die neue Anlage für die Zukunft konzipieren und Optionen eingebaut wissen, mit denen wir zügig und unproblematisch nachrüsten können, wenn es nötig ist. Es sollte alles vorbereitet sein, um beispielsweise das Produktsortiment auf dem alkoholfreien Sektor bei Bedarf ausweiten zu können“, erklärt Tobias Zollo.

Anschlüsse

Herausforderungen bei Projektierung und Inbetriebnahme
Gut vier Monate wurde an der Fertigung der Anlagenteile gearbeitet, bevor es an die Montage und Verkabelung direkt in der Weihenstephaner Produktion ging. Für die Inbetriebnahme wurden weitere vier Wochen angesetzt. Es gab einige komplexe Aufgabenstellungen. So ist der Raum im Produktionstrakt, der für die Anlage als Standort vorgesehen war, von der Höhe her begrenzt. Und natürlich mussten Montage und Inbetriebnahme während der laufenden Produktion erfolgen. Wichtig war Zollo zudem, dass zwei Kühlkreisläufe eingebaut wurden und Karbonisierung sowie Mutterbier-Dosage der Anton-Paar-Messtechnik integriert werden konnten. Diese waren bislang mit einem eigenen Bedienerkasten angebunden, der künftig nicht mehr eingesetzt werden sollte, sondern als Schnittstelle zwischen der neuen Entalkoholisierungsanlage und der Anton-Paar- Messtechnik zu entwickeln war. „Das hatte bisher noch keiner gemacht. Wir haben dies in die Bediensoftware aufgenommen und eine entsprechende Schnittstelle programmiert, sodass die Messtechnik schnell implementiert werden konnte“, erläutert Meyering und berichtet weiter von der Inbetriebnahme: „Trotz laufendem Betrieb ist die Montage reibungslos abgelaufen. Wir haben die verschiedenen Schnittstellen bereits im Vorfeld definiert und Lösungen erarbeitet. Aufbau inklusive Verkabelung haben wir selbst vorgenommen und dabei von der Brauerei jede helfende Hand erhalten, die wir angefragt haben. Ende Januar lief das erste Bier aus der Anlage. Ein paar Feinheiten hier und da sowie kleine Justierungen waren alles, was wir dann noch machen mussten.“ Hauptverantwortlich für die individuellen Lösungen in Weihenstephan waren bei corosys Jan Oertli und Hans-Uwe Fischer, die regelungstechnisch viele Wege gegangen sind, um die Anforderungen der Brauerei bestens zu erfüllen.

Das Gesamtpaket umfasste auch die Schulung und praktische Unterweisung an der Anlage für die Mitarbeiter, die künftig daran arbeiten sollen. Zusätzlich hat corosys Fernzugriff auf die Anlage, die Tag und Nacht läuft. „Wir können auf Wunsch von der Ferne zugreifen und anhand der Datenaufzeichnungen analysieren und optimieren“, beschreibt Meyering einen weiteren Service-Baustein: „Die Anlage ist schlau genug, die relevanten und wichtigen Daten abzuziehen und zu speichern.“

Projektergebnis – erste Zwischenbilanz
Nach den ersten Wochen zieht Zollo eine erste Bilanz: „Insgesamt entlastet uns die neue Anlage in vielerlei Hinsicht. Wir haben keine manuellen Arbeitsschritte mehr und können den gesamten Prozess von einem Bedienpanel aus steuern. So sind die Arbeitsabläufe weniger fehleranfällig,v und es erleichtert gleichzeitig die Erstellung der Schichtpläne. Der Produktionsprozess wurde in diesem Zug optimiert, im Ergebnis haben wir eine gleichbleibend stabile Qualität. Das primäre Ziel, die Kapazität zu verdoppeln, ist erreicht worden und mit einer Stundenleistung von 20 hl sind wir zukunftsfähig aufgestellt. corosys ist im gesamten Projektverlauf immer flexibel auf unsere Wünsche und brauereispezifischen Anforderungen eingegangen. So ist die eingesetzte Software auch keine Lösung von der Stange, sondern für uns angepasst worden, da wir kein Standard-Dampfverfahren nutzen, sondern mit Hochdruck-Heißwasser arbeiten.“

Das Gesamtprojekt – von der Entalkoholisierungsanlage über die Ethanol-Messuhr und den unterirdischen Sammeltank bis hin zur Ethanol-Tankstelle, mit der auch Lauge sowie CO2 abgetankt werden können – umfasst einen runden Prozess auf dem neuesten Stand der Technik und Technologie unter Berücksichtigung aktueller Sicherheits- und Umweltstandards. Damit kann der Trend zu mehr alkoholfreien Bierspezialitäten weiter an Fahrt aufnehmen, zumindest was die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan anbelangt.

Autorin: Sandra Ganzenmüller, kommunikation.
pur GmbH, München

Stephan Dittrich
Geschäftsführer, corosys beverage technology GmbH & Co. KG., Hofheim am Taunus

Brauindustrie 04/2012

Ansprechpartner Veröffentlichungen
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Marketing

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